Dr. med. Christoph Bauer
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
Hormon- und Stoffwechseltherapeut cmi®
Unter bioidentischen Hormone versteht man aus Pflanzen hergestellte  Hormone, die chemisch ähnlich oder strukturell identisch mit den vom menschlichen Körper produzierten Hormonen sind. Die Betonung liegt hierbei auf „strukturell identisch“ und nicht auf der „pflanzlichen“ Quelle, denn viele nicht-bioidentische Hormone (z.B. Ethinylestradiol als Östrogenanteil der Anti-Baby-Pille und diverse Gelbkörperhormone in  Hormonpräparaten) werden ebenso aus Pflanzen (Yamswurzel, Soja) gewonnen.
In die Kategorie der bioidentischen Hormone fallen sowohl behördlich  regulierte, hormonelle Arzneimittel als auch Hormonpräparate, die  basierend auf einer vom Arzt ausgestellten individuellen Rezeptur von  entsprechenden Apotheken hergestellt werden. Zu den behördlich  regulierten bioidentischen Hormonen im Kontext der Hormonersatztherapie  zählen in Deutschland z. B. mikronisiertes Progesteron, 17ß-Estradiol  und Estriol. Auch bioidentische Hormone müssen synthetisiert werden,  d.h. die Wirkung ist nicht zu erzielen, indem man beispielsweise die  Pflanzen direkt zu sich nimmt. Progesteron wird dabei meistens aus  Yamswurzeln hergestellt. Inzwischen werden aber auch zunehmend  Sojabohnen für die Gewinnung von Phytosterinen verwendet, da Anbau und  Ernte etwas einfacher sind. Dies gilt auch für die anderen  Steroidhormone. Phytosterine fungieren als strukturelle Komponente in  der Zellmembran von Pflanzen, analog dem Cholesterin in der Zellmembran  von Tieren, das selbst jedoch kein Phytosterin ist, da es nicht in  Pflanzen vorkommt.
Die Hersteller von Hormonpräparaten kaufen die Hormone bei nur  wenigen Anbietern weltweit, die sich auf die Synthetisierung von  Hormonen aus Phytosterinen spezialisiert haben.
Mögliche Probleme
Die Problematik der bioidentischen Hormone liegt nicht in ihren Inhaltsstoffen. In der Tat ist die Kombination von z.B. Estradiol, dem systemisch wirkenden Östrogen, und Estriol, dem nur lokal wirkenden Östrogen, ein interessanter Ansatz. Die Problematik liegt in der individuellen Hormonrezeptur.
Da die Hormongemische individuell in Apotheken hergestellt werden,  liegen entsprechend keine Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit vor.  Die FDA (amerikanische Behörde für Arzneimittelzulassungen) und die  Endocrine Society (Gesellschaft für Endokrinologie) ordnen daher den  Begriff „bioidentische Hormontherapie“ dem Marketing zu und nicht einer  auf wissenschaftlicher Evidenz basierten Therapieform.
Im Gegensatz dazu haben bioidentische Hormone, die als Arzneimittel  von den entsprechenden nationalen Behörden zugelassen wurden, die notwendigen Studien durchlaufen. In einer von der FDA in Auftrag gegebenen Studie wurden 29 Hormongemische von 12 verschiedenen Herstellen bezüglich ihrer Inhaltsstoffqualität und –quantität analysiert. 34 % der Hormonmischungen fielen bei mindestens einem Qualitätstest durch! Im Gegensatz dazu liegt die Fehlerrate bei von der  FDA zugelassenen Arzneimitteln unter 2 %.
Aufgrund unterschiedlicher Bioverfügbarkeit und Bioaktivität sind  sowohl Unter- als auch Überdosierungen möglich. So ist z.B. eine  ausreichende Umwandlung der Gebärmutterschleimhaut durch über die Haut  angewandtes Progesteron nicht gewährleistet.
Beachtenswert ist es auch, das in den USA bis zu 2,5 Millionen Frauen  individuell zubereitete Hormonmischungen anwenden. Dies entspricht 40 %  der für Beschwerden in der Menopause eingesetzten Hormonpräparate. Die  Kosten belaufen sich dort auf geschätzte 1 – 2 Milliarden US-Dollar,  die, da nicht von der FDA zugelassen, privat bezahlt werden. Mehr als  drei Viertel der Frauen wissen nicht, dass individuell zubereitete Hormonmischungen nicht den FDA-Vorgaben unterliegen.
Wirksamkeit und Sicherheit von bioidentischen Hormonen
Die Indikation von bioidentischen Hormonen entspricht der für die Hormonersatztherapie. Sofern es sich um behördlich zugelassene bioidentische Hormone handelt, die gemäß ihrer Zulassung angewendet werden (z.B. also nicht die für die orale Anwendung zugelassenen Progesteronkapseln aufgebissen werden und der Inhalt auf die Haut aufgetragen wird!), kann von einer nachgewiesenen Wirksamkeit und Sicherheit ausgegangen werden. Es gibt Hinweise dafür, dass die Kombination von Östrogenen mit bioidentischem Progesteron eventuell „brustfreundlicher“ ist als die Kombination mit nicht-bioidentischen Gestagenen. Der endgültige Beweis fehlt aber noch. Solange es keine eindeutigen Daten für eine überlegene Wirksamkeit oder Sicherheit von bioidentischen Hormonen im Vergleich zu nicht-bioidentischen Hormonen gibt, müssen im Beratungsgespräch die Vor- und Nachteile allgemeingültig  für einen Hormonersatztherapie dargelegt werden mit dem Hinweis, dass  die Aussagen möglicherweise nicht für alle Hormontypen gleichermaßen  gelten.
Fazit
Basierend auf Vorgeschichte und Symptomen sollten mögliche  Therapieoptionen bei menopausalen Beschwerden diskutiert werden. Bei  einer Entscheidung zu Gunsten einer Hormonersatz-Therapie sollte primär  ein gelistetes und damit zugelassenes Präparat gewählt werden, wobei die  transdermale Anwendung (in Gel-Form über die Haut) zu bevorzugen ist.  Sollte dennoch eine individuelle Rezeptur gewünscht werden, ist ein  Hinweis auf fehlende Sicherheitsdaten für das individuelle Produkt  erforderlich.